in der Brera, und die „Almosenspende des hl. Rochus" der Dresdner Galerie. Beide Arbeiten
sind unter Verkennung ihrer stilistischen und technischen Eigentümlichkeiten von Bartsch
fälschlicherweise Guido Reni zugeschrieben worden (B. 52 und B. 53) (Abb. 8 und 9). Von den
großen Kupferstichkabinetten ist die Münchner Graphische Sammlung wohl die einzige, die
die Stiche richtig unter Annibale Carracci eingeordnet hat. Schon die volle Signatur „Anibal
Car. invent et sculp." des Blattes von Christus und der Samariterin hätte Bartsch bei seiner
Zuschreibung stutzig machen sollen. Das in der Albertina aufbewahrte Exemplar dieses Stiches
trägt das Datum 1595. Wir können also annehmen, daß der Stich ziemlich bald nach der Voll-
endung des Gemäldes entstanden sei. Da Exemplare mit dem frühen Datum äußers ; selten sind,
ist es wahrscheinlich, daß der Künstler die Platte wieder aus dem Handel zurückzog. Ein Jahr
nach dem Tode Annibales erwarb der Verleger Stefanoni beide Stiche und ließ sie mit der ge-
nauen Firmenangabe sowie dem neuen Datum 1610 versehen. Die Blätter fanden solchen
Absatz, daß sich F. L. D. Ciartres noch im gleichen Jahre entschloß, Nachstiche anzufertigen.
Auch diesmal war der Erfolg ein so großer, daß der Carracci-Schüler Baidasare Aloisi, genannt
Galanino, sich bewogen fühlte, die Stiche 1614 noch einmal zu wiederholen und in den Handel
zu bringen. Die Begegnung Christi mit der Samariterin stellt das künstlerisch interessantere
und wertvollere Blatt dar. Es zeichnet sich durch denselben Schwung der Linienbehandlung
und dieselbe malerische Schönheit wie die in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre entstandenen
graphischen Arbeiten Annibales aus. Der Künstler hält sich in keiner Weise an die gemalte
Passung des Themas gebunden. Die Licht- und Schattengebung gehorcht einem völlig neuen
Prinzip stark betonter Kontrastwirkungen, die in dem Gemälde in keiner Weise in Erscheinung
traten. Auch in der Zeichnung des landschaftlichen Hintergrundes ist der Stich völlig unab-
hängig von dem Vorbild. Hier handelt es sich um Freiheiten, die sich nur der Schöpfer der
Komposition, nicht aber ein Nachstecher erlauben konnte. Nicht so geistreich wie dieses Blatt
111
sind unter Verkennung ihrer stilistischen und technischen Eigentümlichkeiten von Bartsch
fälschlicherweise Guido Reni zugeschrieben worden (B. 52 und B. 53) (Abb. 8 und 9). Von den
großen Kupferstichkabinetten ist die Münchner Graphische Sammlung wohl die einzige, die
die Stiche richtig unter Annibale Carracci eingeordnet hat. Schon die volle Signatur „Anibal
Car. invent et sculp." des Blattes von Christus und der Samariterin hätte Bartsch bei seiner
Zuschreibung stutzig machen sollen. Das in der Albertina aufbewahrte Exemplar dieses Stiches
trägt das Datum 1595. Wir können also annehmen, daß der Stich ziemlich bald nach der Voll-
endung des Gemäldes entstanden sei. Da Exemplare mit dem frühen Datum äußers ; selten sind,
ist es wahrscheinlich, daß der Künstler die Platte wieder aus dem Handel zurückzog. Ein Jahr
nach dem Tode Annibales erwarb der Verleger Stefanoni beide Stiche und ließ sie mit der ge-
nauen Firmenangabe sowie dem neuen Datum 1610 versehen. Die Blätter fanden solchen
Absatz, daß sich F. L. D. Ciartres noch im gleichen Jahre entschloß, Nachstiche anzufertigen.
Auch diesmal war der Erfolg ein so großer, daß der Carracci-Schüler Baidasare Aloisi, genannt
Galanino, sich bewogen fühlte, die Stiche 1614 noch einmal zu wiederholen und in den Handel
zu bringen. Die Begegnung Christi mit der Samariterin stellt das künstlerisch interessantere
und wertvollere Blatt dar. Es zeichnet sich durch denselben Schwung der Linienbehandlung
und dieselbe malerische Schönheit wie die in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre entstandenen
graphischen Arbeiten Annibales aus. Der Künstler hält sich in keiner Weise an die gemalte
Passung des Themas gebunden. Die Licht- und Schattengebung gehorcht einem völlig neuen
Prinzip stark betonter Kontrastwirkungen, die in dem Gemälde in keiner Weise in Erscheinung
traten. Auch in der Zeichnung des landschaftlichen Hintergrundes ist der Stich völlig unab-
hängig von dem Vorbild. Hier handelt es sich um Freiheiten, die sich nur der Schöpfer der
Komposition, nicht aber ein Nachstecher erlauben konnte. Nicht so geistreich wie dieses Blatt
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